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Ich bin schwerhörig. Warum tun manche Geräusche weh?
Eine häufige Frage, die wir von Lesern erhalten, ist: Obwohl ich schwerhörig bin, stören mich manchmal laute Geräusche sehr. Sie sind irritierend und schmerzhaft. Warum? Hörspezialisten bezeichnen dieses Phänomen als Lärmüberempfindlichkeit, Hyperakusis oder auditive Verzerrung.
Kommen Ihnen normale Geräusche unerträglich vor? Für manche Menschen sind normale Geräusche so laut, dass ihre Ohren schmerzen. Hyperakusis kann eine verwirrende Erfahrung sein, sowohl für die betroffene Person als auch für ihre Freunde und Familie. Hyperakusis ist definiert als eine abnorme Empfindlichkeit gegenüber alltäglichen Geräuschen, die zu Schmerzen oder Unbehagen führt.
Die Hyperakusis tritt meist in Schüben auf. Nachdem sie einem neuen lauten Geräusch ausgesetzt waren, kann es sein, dass sie tage- oder wochenlang täglich Schmerzen haben, die durch verschiedene Geräusche erneut ausgelöst werden. Der Schmerz kann ein dumpfer Kopfschmerz, ein Brennen, Pochen oder ein scharfer Stich sein. Dies kann sich erheblich auf Ihre Lebensqualität auswirken.
Warum manche Geräusche weh tun
Wenn die Leistungsfähigkeit der empfindlichen Haarzellen in unserem Innenohr abnimmt, wie es bei altersbedingter Schwerhörigkeit und anderen Arten einer Schallempfindungsschwerhörigkeit der Fall ist, können sie nicht mehr „normal“ auf Schallwellen reagieren. Dies ist die Ursache für einen Hörverlust.
Unsere Zellen bauen sich jedoch nicht gleichmäßig ab – einige Haarzellen bleiben weiterhin funktionsfähig und können Schallwellen noch immer zu 100% verarbeiten und wahrnehmen. Sobald die Lautstärke laut genug ist, sind es diese gesunden Zellen, die an Stelle der sterbenden Zellen „einspringen“ und schnell und kräftig reagieren. Dies kann dazu führen, dass sich Geräusche unangenehm oder schmerzhaft anfühlen.
Wenn Sie den Fernseher oder das Radio schlecht hören, drehen Sie die Lautstärke auf, um besser zu hören. In ähnlicher Weise kann das auditorische System Ihres Gehirns seine Lautstärkeregelung „aufdrehen“ – die medizinische Bezeichnung für dieses Phänomen lautet „auditorische Verstärkung“ -, um eine Schädigung eines Nervs zu kompensieren, die zu unvollständigen Informationen geführt hat. Laute Geräusche sind dann gefühlt zu laut.
Zu den Symptomen der Hyperakusis gehören:
- Schmerzen oder Unwohlsein in einem oder beiden Ohren
- Völlegefühl im Ohr
- das Gefühl, dass das Ohr pocht oder flattert
Wie häufig ist Hyperakusis? Studien in Polen und Schweden haben ergeben, dass 9 bis 17 Prozent der Bevölkerung angeben, dass Lärm für sie ein besonderes Problem darstellt. In einer jüngeren Umfrage des amerikanischen CDC von 2014 gaben fast sechs Prozent der Amerikaner an, dass sie mit diesem Unbehagen leben.
Wenn Sie Schwindelgefühle haben oder sich unsicher fühlen, leiden Sie möglicherweise an einer so genannten vestibulären Hyperakusis. Etwa ein Drittel der Menschen, die unter Tinnitus leiden und Phantomgeräusche wie Klingeln oder Brummen hören, leiden ebenfalls an Hyperakusis. Laute Geräusche können den Tinnitus dabei zusätzlich verschlimmern.
Sie fragen sich vielleicht, ob es eine Heilung für Ihre Hyperakusis gibt. In einigen Fällen ja, aber das hängt von der Ursache Ihrer Hyperakusis ab. Wenn Sie zum Beispiel eine Verletzung erlitten haben, kann sich Ihre Hyperakusis mit der Genesung verbessern. Wenn Sie neben der Hyperakusis auch einen Hörverlust haben, kann Ihr Hörgerät speziell für Sie programmiert und eingestellt werden. Die Lautstärke lauter Geräusche wird reduziert und leisere Geräusche werden verstärkt.
Lärmempfindlichkeit, Misophonie und Phonophobie
Hyperakusis ist eine von mehreren ungewöhnlichen Reaktionen auf Lärm, und manchmal können auch mehrere auftreten. Bei manchen Menschen wird eine „Lärmempfindlichkeit“ diagnostiziert. Laute Umgebungen können bei ihnen Kopfschmerzen verursachen oder sie müde machen, auch wenn kein einziges Geräusch besonders laut ist. Viele Hyperakusis-Patienten entwickeln auch eine extreme Abneigung gegen ein bestimmtes Geräusch, z. B. beim Kauen – ein Problem, das „Misophonie“ genannt wird. „Phonophobie“ ist eine extreme Angst vor lauten Geräuschen.
Wenn Sie unter einer Hörminderung leiden, kann es sein, dass Sie bei bestimmten Geräuschen einen plötzlichen, erschreckenden Anstieg der Lautstärke wahrnehmen. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine so genannte auditorische Verzerrung, die sich von der Hyperakusis unterscheidet und im Allgemeinen nicht schmerzhaft ist.
In einem Artikel in der Zeitschrift Noise & Health wird berichtet, dass mehrere Krankheiten bei Menschen mit Hyperakusis überdurchschnittlich häufig vorkommen – und möglicherweise eine gemeinsame Ursache haben oder Hyperakusis als Symptom auslösen. Dazu gehören Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD), Kiefergelenkserkrankungen, Borreliose, Tay-Sachs-Krankheit, Migräne, bestimmte Arten von Epilepsie, chronisches Müdigkeitssyndrom, Morbus Menière und Autismus-Spektrum-Störungen.
Lärmüberempfindlichkeit vs. Hyperakusis
Anders als bei einer erhöhten Geräuschempfindlichkeit steht Hyperakusis nicht in Verbindung mit einer Schallempfindungsschwerhörigkeit und hat andere Ursachen. Kinder mit Autismus oder einer auditiven Verarbeitungsstörung können beispielsweise sehr empfindlich auf bestimmte Geräusche reagieren ohne schwerhörig zu sein.
Eine Lärmüberempfindlichkeit ist nichts, unter dem man leiden muss – sie ist behandelbar. Allerdings kann nur ein qualifizierter HNO-Arzt mit Hilfe von speziellen Tests diagnostizieren, was genau die Ursache für die Lärmüberempfindlichkeit einer Person ist.
Wenn Sie schwerhörig sind und häufig unter einer Lärmüberempfindlichkeit leiden, kann ein hochwertiges Hörgerät so eingestellt werden, dass es Töne in diesem spezifischen Frequenzbereich eliminiert oder abschwächt. Günstige Modelle und einfache Hörverstärker sind hier allerdings keine große Hilfe, da sie nicht so viele einstellbare Frequenzkanäle haben, was zu einer schlechteren Geräuschunterdrückung führt. Der Schlüssel zur Lösung ist ein qualifizierter Hörgeräteakustiker, der weiß, wie man Ihre Hörgeräte programmieren muss.
Eine Lärmüberempfindlichkeit kann sich mit der Zeit entwickeln. Es kann auch sein, dass Sie nach dem Tragen Ihrer ersten Hörgeräten eine ungewöhnlich starke Geräuschempfindlichkeit bemerken. In diesem Fall ist es wichtig, Ihrem Hörgeräteakustiker mitzuteilen, dass Sie einige Geräusche als sehr unangenehm oder schmerzhaft empfinden.
Welche Hörgeräte sind für mich am besten geeignet?
Bei Ihnen wurde ein Hörverlust diagnostiziert und der Hörgeräteakustiker empfiehlt Ihnen das Tragen eines Hörgeräts? Aber welche Geräte sind für Sie am besten geeignet? Die Entscheidung hängt stark vom Schweregrad Ihres Hörverlusts sowie von Ihrem Budget und Ihrem Lebensstil ab. Bevor Sie sich mit Ihrem Hörgeräteakustiker zusammensetzen, sollten Sie ein paar Dinge beachten.
Hörgeräte haben sich in den letzten zehn Jahren stark verändert. Die heutigen Geräte sind nicht mehr so wie die, die Ihre Eltern oder Großeltern vielleicht getragen haben. Während die Hörgeräte Ihrer Eltern mit einem winzigen Schraubenzieher von einem Hörgeräteakustiker eingestellt werden mussten, werden die heutigen digitalen Geräte per Computer programmiert.
Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit sperrigen Lautstärkereglern und Knöpfen herumfummeln musste. Moderne Hörgeräte können vom Träger mit einer Smartphone-App diskret gesteuert werden, wenn sich die Hörumgebung ändert. Die Bluetooth-Technologie ermöglicht es Hörgeräten, sich drahtlos mit einem Smartphone, Tablet, einem Fernseher oder dem Autoradio zu verbinden.
Sind Sie technikaffin? Es gibt viele Hörgeräte, die mit Ihrer Faszination für hochmoderne Technik mithalten können. Wenn Sie kein Technik-Liebhaber sind, verzweifeln Sie nicht – die Technologie in Ihren neuen Hörgeräten kann auch hinter den Kulissen automatisch für Sie arbeiten, so dass Sie nichts damit zu tun haben müssen.
Unternehmen Sie viel in Gruppen?
Das Leben kann laut sein! Je nachdem, womit Sie Ihren Lebensunterhalt verdienen und wie oft Sie sich mit Menschen treffen, mit denen Sie gerne Zeit verbringen, kann Ihnen die Richtmikrofon-Technologie helfen, Sprache auch in lauten Situationen besser zu verstehen. Zwei Mikrofone im Hörgerät helfen Ihnen, Sprache in schwierigen Hörumgebungen zu verstehen, wie z.B. in Gruppengesprächen, überfüllten Restaurants und Bars oder wenn Ihre ganze Familie zu Besuch ist. Das Hörgerät konzentriert sich automatisch auf den Schall direkt vor Ihnen und minimiert den Schall hinter und seitlich von Ihnen.
Nahezu alle Hörgeräte haben heute Funktionen zur Lärmreduzierung eingebaut. Diese Technologie ist am besten geeignet, um das Sprachverständnis in lauten Situationen zu erhöhen, aber es sind die Richtmikrofone, die einen spürbaren Einfluss auf Ihre Fähigkeit haben, ein Gespräch in eben diesen Situationen zu verstehen. Sprechen Sie mit Ihrem Hörgeräteakustiker darüber, welche Funktionen Sie benötigen.
Wie wichtig ist Ihnen ein diskretes Design?
Es ist absolut nichts Falsches oder Negatives daran, ein Hörgerät zu tragen – egal, ob es für andere sichtbar ist oder nicht. Hörgeräte helfen Ihnen nicht nur dabei, Gespräche zu verstehen, sie machen Sie auch auf Notfallwarnsignale aufmerksam, verringern das Risiko, dass Sie stürzen, reduzieren das Risiko eine Demenz zu entwickeln oder eine Depression zu bekommen. Was kann also falsch daran sein, ein Hörgerät zu tragen?
Viele Menschen ziehen es vor, ihren Hörverlust diskret zu behandeln, zu verschweigen und zu verheimlichen. Wenn es Ihnen wichtig ist, das man Ihr Hörgerät nicht sieht, sollten Sie Im-Ohr-Hörgeräte bei Ihrem Akustiker testen. Auch RIC-Hörgeräte (Empfänger im Kanal) oder RITE-Hörgeräte (Empfänger im Ohr mit ultradünnen Schlauch) weisen ein diskreteres Design auf als klassische Hinter-dem-Ohr Hörgeräte. Zudem können Sie Gehäusefarben auswählen, die Ihrer Hautfarbe oder Haarfarbe entsprechen. Dadurch ist das Hörgerät weniger auffällig. Es gibt jedoch auch Hörgeräte, die nahezu unsichtbar sind. Hierbei gibt es zwei Arten: IIC-Hörgeräte „Unsichtbar im Kanal“ und CIC-Hörgeräte „Komplett im Kanal“.
Mehr Diskretion und kleinere Hörgeräte sind allerdings mit einigen Kompromissen verbunden z.B. eine geringere Batterielaufzeit oder höhere Anfälligkeit für Feuchtigkeitsschäden. Ihr Hörgeräteakustiker kann Ihnen helfen, abhängig vom Schweregrad Ihres Hörverlusts und Ihren persönlichen Vorlieben, das richtige Design für Sie auszuwählen.
Haben Sie Probleme mit Ihrer Fingerfertigkeit?
Diabetes, Parkinson und andere Gesundheitsprobleme können zu Taubheitsgefühlen in den Fingern oder zu einem Rückgang der Feinmotorik führen. Je kleiner das Hörgerät ist, desto kleiner sind auch die Gehäuseteile wie z.B. die Batterieklappe oder der Lautstärkeregler.
Wenn Sie sich mit dem Anlegen von Schmuck oder Aktivitäten, die Feinmotorik erfordern, schwer tun, sind Hinter-dem-Ohr Hörgeräte (HdOs) besser für Sie geeignet. Es ist viel besser, Geräte zu besitzen, die Sie selbstbewusst und effektiv bedienen können, als eins zu haben, das Sie so sehr frustriert, dass es mehr Zeit in Ihrem Nachttisch als in Ihrem Ohr verbringt.
Wenn Sie einen Spezialisten benötigen
Wenn Sie mit einer Lärmüberempfindlichkeit zu kämpfen haben und darunter leiden, ist es am besten, einen Audiologen aufzusuchen, der auf komplexe Fälle spezialisiert ist. In einigen Fällen tritt die Lärmüberempfindlichkeit im gleichen Frequenzbereich wie Sprachlaute auf, eine Situation, die eine fachkundige Betreuung erfordert.
Wenn Sie schon seit Jahren mit Schwerhörigkeit und Geräuschempfindlichkeit leben, warten Sie nicht länger: Ein unbehandelter Hörverlust erhöht Ihr Risiko für soziale Isolation und ist häufig mit Depressionen verbunden. Hörgeräte können Ihre Lebensqualität auf eine Art und Weise wiederherstellen, von der Sie vielleicht gar nicht wissen, dass sie möglich wäre.
Jeder Hörverlust ist individuell und von Mensch zu Mensch anderes, aber es gibt Hörgeräte, die für fast alle Bedürfnisse geeignet sind. Die besten Hörgeräte sind diejenigen, die für Sie automatisch arbeiten. Anstatt zu warten, weil Sie Angst haben, eine falsche Entscheidung zu treffen, sollten Sie einen Hörgeräteakustiker aufsuchen, der Sie berät. Im Team können Sie beide bestimmen, welche Hörgeräte für Ihre individuelle Hörsituation geeignet sind. Hörgeräteakustiker aus Ihrer Gemeinde können Sie auch in unserem Online Verzeichnis finden.
Klangtherapie und kognitive Verhaltenstherapie
Möglicherweise müssen Sie mit einem Spezialisten für Schalldesensibilisierung oder Schalltherapie zusammenarbeiten. Mit einem Gerät, das Sie an einem oder beiden Ohren tragen, hören Sie täglich extrem leise statische Geräusche und steigern sich allmählich zu höheren Lautstärken, was als Tinnitus-Retraining-Therapie (TRT) bezeichnet wird. Innerhalb von sechs Monaten bis zu einem Jahr kann es dann zu einer Verbesserung kommen. Warum sollte es helfen, sich Lärm auszusetzen? Die Zunahme an Informationen bringt Ihr Gehirn dazu, die Lautstärke zu reduzieren.
Eine kognitive Verhaltenstherapie kann auch hilfreich sein, um die Ängste im Zusammenhang mit Ihrer Erkrankung zu behandeln, insbesondere wenn Sie unter Misophonie oder Phonophobie leiden. Je nach Ursache Ihres Hörproblems gibt es spezielle Behandlungen. Die auditive Integrationstherapie (AIT), bei der Musik in verschiedenen Lautstärken gehört wird, wird beispielsweise manchmal bei Patienten mit Autismus eingesetzt und kann auch bei Menschen mit Hyperakusis angewendet werden.
Vor allem wenn Sie Schmerzzyklen haben, ist es wichtig, Ihr Gehör vor Lärm und lauten Geräuschen zu schützen. Die einfachste Methode ist das Tragen von Kopfhörern mit Geräuschunterdrückung oder Ohrstöpseln. Es gibt hochentwickelte Ohrstöpsel für Musiker mit Lautstärkeregelung und andere intelligente Ohrstöpsel, die für das Militär entwickelt wurden. Wenn Sie in einer lauten Umgebung arbeiten müssen, ist Ihr Arbeitgeber verpflichtet, Sie vor arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren zu schützen. Wenn Sie bei der Arbeit in einer lauten Umgebung einen Hörverlust, Tinnitus oder Hyperakusis erlitten haben, haben Sie möglicherweise Anspruch auf Entschädigungsleistungen für Arbeitnehmer. Ansprüche im Zusammenhang mit dem Gehör sind umso leichter nachzuweisen, je jünger Sie sind.